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Werder, Wiesenhof und der Ruf eines Vereins

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Auf “arte” lief gerade die Kriminalgroteske “Der Knochenmann” von Wolfgang Murnberger, mit dem großen Josef Bierbichler und Josef Hader. Wer die Mordgeschichte über ein Gasthaus in der Steiermark und ein Bordell in Bratislava gesehen hat, ißt so schnell kein Hähnchen mehr. Dabei findet hier die ekelhafte Brathendl-Zubereitung in der hauseigenen Kellerschlachterei statt und die Massenabspeisung hält sich auf Busladungs-Niveau. Wie es dagegen bei “Wiesenhof” zugeht, in der industriellen Hühnerverwertung beim deutschen Marktführer für Billiggeflügel, ist bekannt. Geschöpfe, für die man ein mindestes Mitgefühl aufbringt, das über die Feststellung ihrer “Bestimmung, gegessen zu werden” (Hegel) hinausgeht, hält man anders.

An diesem Befund werden auch Besuche in den von “Wiesenhof” für Besuche vorgesehenen Produktionsstätten nichts ändern, auf die sich jetzt Klaus Allofs beruft. Der Manager von Werder Bremen, das gerade “Wiesenhof” zum Haupt- und Trikotsponsoren gemacht hat, berichtet von einem “sehr guten Eindruck”, den man vor Ort erhalten habe. Es dürfte nicht der Ort gewesen sein, an dem die ARD ihr Bildmaterial für den Bericht “System Wiesenhof” – http://www.ardmediathek.de/das-erste/reportage-dokumentation/ard-exclusiv-das-system-wiesenhof?documentId=8068044 – gefilmt hat. Wer ihn gesehen hat, ißt nämlich zumindest kein Wiesenhof-Geflügel mehr.

Nun ist die Schnittmenge von Fußballfans und Tierschützern überschaubar. Die Ernährung im Stadion folgt überdies Gesichtspunkten, die denen von Wiesenhof ähnlich sind: möglichst viel Fleisch für möglichst wenig Geld. Insofern wird es bei den wenigen Austritte aus dem Verein, die Werder berichtet, wohl auch bleiben. Im Netz immerhin ist eine Petition gegen die Zusammenarbeit von Werder mit Wiesenhof gestartet worden, die bislang rund zweieinhalb Tausend Leute unterschrieben haben: http://www.petitiononline.de/petition/petition-gegen-des-engagement-der-firma-wiesenhof-als-hauptsponsor-des-sv-werder-bremen/1070. Sind das alles Weder-Anhänger, sind die gut 20.000 Beteiligten an der entsprechenden Facebook-Seite Tierschützer, gegnerische Fans oder Freunde des Vereins? Der Bremer “Weser-Kurier” hat in einer Umfrage ermittel, dass drei Viertel der Bremer gegen den Sponsorenvertrag mit den Geflügelzüchtern sind.

Das kann man als jemand, der nicht Millionen für zuletzt eher teure als gute Fußballer einwerben muss, auch etwas leichter sein als das Vereins-Management. Pecunia non olet, Geld mieft nicht, auch nicht nach Billighuhn, vor allem wenn damit Gewinnerwartungen (Elia und Gebre Selassie allein haben mehr gekostet als Wiesenhof einbringt) gekauft werden. Und selbstverständlich sind es die Verbraucher, die ein Unternehmen wie Wiesenhof groß gemacht haben.

Doch es bleibt die Frage des Image. Denn darum geht es schließlich der einen Seite in einem Sponsorenvertrag: Dass der Firmenname der Fußballer auf den Sponsor günstig abfärbe. Geld gegen Ruf, das ist das Geschäft. Werder Bremes Ruf ist einer der besten in der Bundesliga. Hanseatischer Kaufmannsruf gewissermaßen, erfolgsorientiert nur so lange es solide zugeht, intelligent, mittelständisch (nicht gazprom-artig oder von Teppichbodenhändlern gesteuert), geduldig (es gibt nur einen Thomas Schaaf), mit dem nach Uli Hoeneß angesehnsten Manager der Ligageschichte. (à propos Hoeneß: Wie werden eigentlich Rostbratwürste hergestellt?)

Gibt es denn kein Unternehmen von ähnlichem Ansehen, das diese Marke gerne für sich nutzen möchte? Müssen es denn Billigverwerter wie KiK und Wiesenhof sein? Die anderen Hauptsponsoren der kommenden Bundesliga-Saison sind (wenn ich im Kicker-Sonderheft nichts übersehen habe): Evonik, Telecom, Gazprom, Postbank, Sunpower, Mercedes-Benz Bank, Tui, VW, Suntech, Ehrmann, entega, AL-KO, Fly Emirates, Ergo, Krombacher, Otelo. Vor allem also Energie-Unternehmen, Finanzdienstleister und Firmen, die Mobilität verkaufen. Wiesenhof ist hier tatsächlich – zusammen mit dem Joghurthersteller bei Freiburg und den Gartengeräten in Augsburg sowie den Bierbrauern auf den Frankfurter Trikots - als Produzent von etwas Faßbarem, Tieren nämlich, ein Ausreißer. Das dürfte Klaus Allofs auch gemeint haben, als er mitteilte, es sei Werder Bremen bewußt, ein riskantes Engagement eingegangen zu sein. Für den Moment ist das nicht mehr zu ändern. Aber Werder Bremen sollte die Spielzeit nicht nur für besseren Fußball nutzen, sondern jetzt auch schauen, wie man aus der Partnerschaft mit den Tierverwertern wieder herauskommt. Sie paßt einfach nicht.

von Jürgen Kaube erschienen in Eins gegen Eins ein Blog von FAZ.NET.


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